Vom Webvideo zur digitalen Geschichte

Ohne Video keine anständige Nachrichtenseite. Das ist gut so. Aber nun geht es darum, das Format weiterzuentwickeln. Bewegte Bilder im Netz könnten noch viel mehr bieten: Geschichten, die sich den Wünschen des Zuschauers anpassen und ganz selbstverständlich verschiedene Medienformen miteinander verknüpfen.

Als Reporterin stelle ich immer wieder fest, dass ich beim Erzählen vieler Geschichten an Grenzen stoße, wenn ich mich auf die typischen drei Minuten Webvideo begrenze. Oft könnte ich noch viel mehr berichten oder muss manche Sachverhalte stark verkürzen, weil sie sich schlecht auf Bilder erzählen lassen.

Als Zuschauerin wünsche ich mir mehr Wahlmöglichkeiten. Nicht immer reicht meine Zeit für eine tolle, ausführliche Reportage. Aber manchmal würde ich bei einer kurzen Geschichte gerne mehr erfahren und vielleicht später (z.B. offline im Flugzeug) eine aufwendigere Doku zum Thema sehen.

Bislang gibt es vor allem drei Arten von Angeboten, die Zuschauer im Web anlocken:

  • Bildstarke News: Bestimmte Nachrichten will man nicht (nur) lesen sondern auch sehen: Sturmkatastrophe auf den Philippinen, Reaktionen zur Bundestagswahl, Surfer reitet Rekordwelle etc.
  • YouTube-Verlockungen: Oft plant man gar nicht, ein Video zu schauen. Doch eine Social-Media-Empfehlung oder ein starkes Startbild auf einer klassischen Nachrichtenseite verleiten den User zum Video-Klick.
  • TV im Web: Zurücklehnen und Zuschauen, klassisches Fernsehen funktioniert auch im Internetzeitalter. Doch User suchen immer gezielter nach Information oder Unterhaltung, statt sich berieseln zu lassen. Bestes Beispiel: das „Neo Magazin“, dessen erste Folge online gut doppelt so viele Zuschauer wie im Fernsehen hatte.

 

Wieso verbinden wir diese Webvideo-Formen nicht besser?

  • Durch Interaktivität, die sich nach den Wünschen und dem Zeitbudget des Users richtet. „Ich will mich nur schnell informieren“ oder „Die Geschichte interessiert mich, ich möchte tiefer einsteigen“ oder „Das Video hat mich neugierig gemacht, wenn ich mehr Zeit habe, möchte ich mehr sehen. Ich setze mir ein Bookmark oder lade mir die ganze Geschichte als Podcast herunter.“
  • Verschiedene Videoangebote könnten sich in ihrer Länge und auch im Format (Streaming oder Podcast) nach dem Endgerät des Zuschauers richten.
  • Multimedialität: Was nicht als Video erzählt werden kann, muss auch nicht in ein Video gepresst werden. Wenn wir Video, Foto, Grafiken und Text auf unseren Websites besser miteinander verflechten, muss man nicht jede Info auf TV-Themenbilder erzählen. Stattdessen könnte man ein Video beispielsweise für eine Grafik oder eine Info-Box unterbrechen.

 

„Im Netz darf und muss man schnell und unmittelbar zur Sache kommen“, schreibt Christian Jakubetz in seinem Blog.

Ich glaube allerdings, wir haben unsere User bislang auch dazu erzogen, höchstens kurze Filme im Web zu schauen, weil längere Dokus auf Online-Seiten oftmals schlecht eingebunden oder gar nicht zu finden sind. Die öffentlich-rechtlichen Mediatheken sind chaotisch aufgebaut und haben nur selten eine gute Suchfunktion. Bequeme und legale Plattformen für Filme und Dokumentationen – eher Fehlanzeige.

Digitale Geschichtenerzähler

In den USA beweist das Streaming-Portal Netflix, dass Zuschauer online sehr wohl nach Filmen und Dokumentationen suchen; sich zurücklehnen und fernsehen – nur eben auf dem Computer oder Tablet. Das ist Web TV.

Und Webvideo? Die New York Times oder der Guardian glänzen immer wieder mit tollem „Scrollytelling“, bei dem Videos, Grafiken und Texte ineinander übergehen. Doch das sind, selbst bei den Großen der Branche, bislang nur Ausnahme-Projekte.

Wir Webvideo-Macher sollten uns jedenfalls noch mehr als digitale Geschichtenerzähler verstehen, die über die Drei-Minuten-Grenze hinausdenken. Dann verschmelzen die verschiedenen Medienarten hoffentlich bald von ganz alleine.

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