Mehr Mobile Reportin, Livestreams und 360-Grad-Videos: Was wir uns für 2015 wünschen. Ein Meinungsbeitrag beider Autoren dieses Blogs.
2014 war ein super Video-Jahr, keine Frage. Überall wurden VJs gesucht und eingestellt, die großen Social Networks sowie so manche Redaktion haben Video ins Zentrum ihrer Strategie gestellt. Grund genug, Bewegtbild weiterzuentwickeln, Trends konsequenter zu verfolgen.
Mobile Video first: Bislang haben Redaktionen Video vor allem auf große Bildschirme und klassische Nutzungssituationen zugeschnitten. Es gab aber bereits vereinzelt Versuche, Mobile-optimierte Videoformate zu entwickeln. Vorreiter sind Projekte wie NowThis in New York. In Deutschland galten solche häufig kürzeren Videos mit größeren Schriften und viel Erklärung in Inserts statt in Sprechertext bislang als Experiment oder Ergänzung. Jetzt merken Redaktionen, dass dieser Content nicht nur in den Social Networks und nicht nur am Handy ohne Kopfhörer funktioniert. Die gleichen oder ähnlich gebaute Clips werden auch auf klassischen Plattformen mehr und mehr verbaut werden. Mobile first gilt auch bei der Video-Konzeption!
Live und roh: Wo in Amerika das Vertrauen in die klassischen Medien nachlässt, haben Livestreamer ihre Nische entdeckt. Bei den Protesten in Ferguson nach dem Tod des schwarzen Teenagers Michael Brown sahen viele junge Zuschauer beispielsweise lieber den Livestream von Vice als die Talking Heads auf CNN. Reporter Tim Pool sendete online stundenlang ungeschnittene Straßenszenen und spontane Interviews mit Demonstranten.
Das Format ist transparenter und damit vielleicht auch ehrlicher als die klassischen Studiotalks mit statisch anmutenden Außenreportern. Außerdem bietet der Livestream die Möglichkeit, Zuschauer direkt über eine Chatfunktion einzubinden. Meist wählen Redaktionen bislang entweder Live-Formate mit Studiogästen und Schalten oder die Livestreams der Agenturen. Auch gut. Dass man aber mit authentischer Reporterarbeit zum Beispiel allein mit einem Smartphone oder einer Video/Daten-Brille live beeindrucken kann, wird 2015 sicher häufiger zu sehen sein. Wie das geht, darüber schreibt auch Mobile-Reporting-Experte Marcus Bösch regelmäßig auf seinem Blog. Von uns also der Wunsch für 2015: Nicht nur Fernsehen im Netz, sondern auch Fernsehen fürs Netz – mehr Mut zu neuen Livestream-Formaten!
360-Grad-Video: Arte hat dieses Jahr mit beeindruckenden Aufnahmen und viel technischem Aufwand vorgelegt. Die „Polar Sea“-App erschließt eine neue Dimension für Webvideo-Macher. Der User ist nicht nur passiver Zuschauer, er kann sich auch aktiv im Video „umschauen“, indem er das Handy kippt oder den Blickwinkel per Fingertip verändern. Das Ergebnis ist eine visuell spektakuläre Reise durch die Arktis.
Eine neue Darstellungsform für besonders bildstarke Geschichten? Die kameratechnische Umsetzung könnte jedenfalls bald erleichtert werden. Der französische Hersteller Geonaute will bald eine 360-Grad-Videokamera auf den Markt bringen – mit 399 € vergleichsweise günstig. Auch Samsung hat eine ähnliche Kamera angekündigt.
Social Video first: 2015 wird das Jahr, in dem auch klassische TV- und Video-Redaktionen endgültig die Kraft von Videos in Social Networks erkennen. Medien, die mit ihrem Content relevant sein möchten, veröffentlichen Videos nicht ausschließlich auf ihren eigenen Marken-Plattformen. Über deren Niedergang und den Trend zum „Unbundling“ ist viel geschrieben – für Video ergeben sich die größten Chancen außerhalb der Verlags-Homepages. Facebook greift Youtube an, zudem will Twitter mit dem angekündigten nativen Videoplayer auch abseits von Vine zum Video-Netzwerk werden und ein Stück vom lukrativen Bewegtbildwerbe-Kuchen abhaben. Für Publisher verheißt der Wettlauf von YouTube, Facebook und Twitter vor allem Gutes: Originäre Videoware ist heiß begehrt. Das wird sich bald auch beim bislang erbärmlichen Revenue-Share von Youtube bemerkbar machen (müssen).
Persönlich wird das Webvideo – auch im Journalismus: Schließen wir bei Social an. Nicht nur bei der Verbreitung lernen wir. Auch den sehr persönlichen Stil und das Dialogische von Youtube&Co müssen und werden VJs in die journalistischen Formate übernehmen. International bei den vielzitierten Vicenews-Reportagen schon einige Zeit zu beobachten, im deutschsprachigen Raum ist da noch Luft. Zwar nervt übertriebener Ichismus zuweilen, aber Persönlichkeit können und sollen Reporter an und vor der Kamera schon zeigen. Das kann bei On-Reportagen sein aber auch bei harten klassisch gefilmten Themen, wo die Handschrift des VJs deutlicher zu spüren sein kann. Genau wie gute Autoren ihre Stammleser haben, können auch On-Reporter zur eigenen Marke werden und sich gerade in den sozialen Netzwerken eine eigene Zuschauerschaft aufbauen. Mit „Chronistenpflicht“ und steril abgearbeiter Nachrichtenlage allein kommt man da nicht weit. Dass Videoformate wie „Nachrichten in 100 Sekunden“ online keinen vom Hocker reißen, dürften inzwischen sogar die geschätzten Kollegen von FAZ und ARD wahrgenommen haben. Daher: seien wir auch in journalistischen Webvideos mutiger, zeigen Gesicht, Gefühle, Meinung oder lassen die Zuschauer unsere Einsätze einfach miterleben.
Haben wir Trends vergessen? Was gefällt, was nervt Euch bei journalistischen Webvideos? Kommentiert und/oder twittert es, #Webvideo15 könnte ein Hashtag sein.
Hallo verehrtes Team,
danke für die tolle Tipps und den Ausblick.
Die Aspekte, die für Mobile Video sprechen, waren mir gar nicht so klar. Darauf werde ich stärker achten.
Viel Erfolg weiterhin!
Beste Grüsse aus Hamburg sendet
Dagmar
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