Filmen als VJ: DSLR oder Videokamera?

Welche Kamera soll ich mir als VJ kaufen? Was ist leichter zu bedienen, wenn man zugleich Kameramann und Fragensteller ist? Alle wollen den Look der Spiegelreflex-Kameras (DSLR) – aber ist die Technik für aktuelle Berichterstattung überhaupt einsetzbar? Antworten aus der Praxis.

Beispielkameras: Sony PMW-EX1 vs. Canon 60D; Foto: Sandra Sperber

Eines vorweg: Wer keine Lust auf komplizierte Technik hat, muss nicht weiterlesen. Dem empfehle ich eine ordentliche Handheld-Videokamera. Das ist die Rundum-sorglos-Lösung. Spiegelreflexkameras erleichtern das Drehen nicht unbedingt – dennoch können sie enormen Spaß machen.

zoomvergleichDer K(r)ampf mit der Schärfe

Augen und Nasenspitze scharf, der Hintergrund geblurt. Das ist der „Kino-Look“ von dem alle schwärmen, eine geringe Schärfentiefe, den Spiegelreflexkameras mit dem richtigen Objektiv liefern können. Doch gerade wenn man sich als VJ noch „nebenbei“ auf den Interviewpartner konzentrieren muss, kann das schnell schiefgehen. Die wenigsten DSLR haben im Videomodus eine Autofokus-Option. Peaking- oder Zebra-Hilfslinien im Display gibt es (zumindest bei Canon) nur über eine Firmware-Erweiterung.

Moderne Videokameras bieten all das. Durch den kleineren Chip in der Kamera haben sie eine größere Schärfentiefe und erleichtern so das fokussieren. Außerdem haben sie meist ein Zoomobjektiv mit dem man für alle Fälle gerüstet ist: Es ist halbwegs weitwinklig (z.B. für Reportagen) und gleichzeitig ist es ein starkes Teleobjektiv (z.B. für Pressekonferenzen).

Wer hingegen mit DSLR filmt, muss sich meist auf Objektiv-Wechsel während des Drehs einstellen. Für den „Spiegelreflex-Look“, gibt es keine Allround-Linse wie bei den Camcordern. Das kann unter Zeitdruck ganz schön nerven und bei der Anschaffung teuer werden.

Objektive zum Filmen für den VJ
Standardzoom (24-105mm), Festbrennweite (50mm), Teleobjektiv (70-200mm)

Ausrüstungs Empfehlung: Standard-Zoom für reportagige Szenen, (mehrere) Festbrennweite(n) mit geringer Offenblende für gesetzte Interviews oder Detailaufnahmen und eventuell ein Teleobjektiv, falls man nicht so nah ran kommt.

Improvisieren beim Ton

Wer alleine dreht, hat es generell nicht leicht, guten Ton aufzunehmen. Es fehlt die dritte Hand, die mal eben ein Mikro halten könnte. Deshalb versuche ich – egal welche Kamera – meinen Hauptprotagonisten stets mit einer Funkstrecke auszustatten.

Wenn dann weitere O-Tongeber ins Spiel kommen oder man spontan etwas reportagiger drehen möchte, haben die zwei Input-Kanäle (XLR) der Videokamera klare Vorteile. Eine Tonspur für die Funkstrecke, eine fürs Atmo-Mikro oder ein Hand-Mikrofon.

ton-video

Meine Canon-60D-Spiegelreflexkamera nimmt zwar zwei Spuren auf. Sie hat aber nur einen Eingang (3,5mm Klinke), der bei mir meist von der Funkstrecke belegt ist. Auf der zweiten Tonspur landet nur der Sound vom eingebauten Mikro. Der ist qualitativ äußerst problematisch. Ein zusätzlicher Tonrekorder kann helfen. Mehr zum Thema Zubehör habe ich hier geschrieben.

Einfach aus der Hüfte schießen?

Ein weiterer großer Vorteil der Videokamera ist ihr Bildstabilisator und ihr bequemer Griff. Mal schnell von der Schulter ein Bild machen, die Kamera auf Hüfthöhe am Körper abstützen oder sonst irgendwo auflegen? Mit der Spiegelreflexkamera funktioniert das gar nicht oder sieht deutlich wackeliger aus als mit dem Camcorder.

Schulterstativ
Simples Schulterstativ der Marke Cowboy Studio

Das liegt am komplizierteren Handling, der Body einer Fotokamera ist nun mal nicht primär zum Filmen gebaut worden. Und daran, dass viele Objektive keinen Bildstabilisator haben. Auf dem kleinen Display sieht es noch ok aus, wenn man mal „aus der Hand“ dreht. Spätestens am Computer zittern die Bilder.

Ich arbeite deshalb oft mit einem Schulterstativ oder gleich vom richtigen Stativ. Eigentlich eine ganz gute Erziehungsmaßnahme, um sorgfältiger zu drehen, oder?

Fazit

Rein praktisch spricht also eine Menge gegen die DSLR-Kameras. Wer sich zwischen den beiden Modellen entscheiden muss, und für alle Fälle gerüstet sein will, sollte sich für eine Videokamera entscheiden. Gerade wenn man tagesaktuell arbeitet oder viele Reportagen dreht. Welche Geschichten eher schwierig mit einer DSLR umzusetzen sind, habe ich hier beschrieben.

Wer Wert auf besondere Bilder legt; wer eher ruhige, O-Ton-lastige Stücke dreht oder Imagefilme produzieren möchte; und wer die Möglichkeit hat, vielleicht für bestimmte Drehs eine Videokamera anzumieten – der sollte das Experiment DSLR wagen.

Es erfordert eine Menge zusätzliches Zubehör, ein bisschen technisches Geschick und ein Grundverständnis für Fotografie. Im Gegenzug bereiten die Bilder viel Freude.

Einer der Filme, die ich mit meiner Canon 60D gedreht habe:


5 thoughts on “Filmen als VJ: DSLR oder Videokamera?

  1. Es gibt doch eine optimale Zwischenlösung!

    Die Problematik „DSLR oder Videokamera“ beschäftigte uns nun auch mehrere Jahre. Seit 6 Jahren produzieren wir mit der Sony Z7 und testweise mal mit einer Canon 5D, die aber die Tonproblematik hat.

    Nun sind wir auf die Canon C100 gekommen. DSLR-Objektive (35mm / 50mm Festbrennweiten) ABER mit XLR Eingängen und allem, was eine VJ Kamera benötigt.

    1. Ja, das ist tatsächlich eine gute Hybrid-Lösung, die ich persönlich noch nicht getestet habe.
      Allerdings geht das natürlich um einiges mehr ins Geld, weil schon der Body ohne ein einziges Objektiv soviel kostet wie meine ganze Videokamera. Gerade für freiberufliche VJs ist das ja ein wichtiger Punkt.
      Kann die denn auch Fotos machen?

  2. Mit dem Problem DSLR oder Videokamera habe ich mich auch schon des Öfteren beschäftigen müssen.

    Ich halte es so, dass ich mir eine Videokamera ausleihe, wenn ich weiß, dass es schnell und hektisch zugeht.

    Aber selbst dann kann man auch schon mit einfachsten Mitteln mit einer DSLR ganz passabel arbeiten. Ich habe ein kleines Reisestativ.
    Zusammengeklappt und mit ruhiger Hand hat man somit schon eine ruhigere Kameraführung.
    Klar, das Schulterstativ ersetzt es nicht!

  3. Hey also ich komme mit meiner Canon 750d http://bit.ly/2cmp0f5 sehr gut zurecht, auch ohne Schulter Stativ klar es so seine Vorteile, aber wirklich brauchen tue ich es ja nicht. Ich habe sogar festgestellt in bestimmten Situationen ist diese auch etwas hinderlich, aber jedem das seine. Ich wollte mich eigentlich informieren was ihr für Zubehör für Natur Filmer empfehlen würdet?

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